Die Kirche in der Toscana

Es war Mitte der siebziger Jahre während eines Sommerurlaubs. Bei einer Überlandfahrt erregte eine Kirche meine Aufmerksamkeit. Aus der Ferne sah sie aus wie ein Rundbau mit quadratischen Erweiterungen in alle vier Himmelsrichtungen. Bei der Besichtigung faszinierte mich, dass –anders als bei den gotischen Kathedralen – die Innenmauern zugleich die Außenfassade bildeten. Was von draußen zu sehen war, fand sich Innen wieder und was von Innen zu sehen war, fand sich außen wieder.

Völlig unerwartet erinnerte mich das an etwas, was ich als Kind nie verstanden hatte. Wenn die Leute zur Kirche kamen, waren sie wie immer. Während wir drinnen mit offenem Herzen und aus voller Kehle sangen, veränderten sie sich. Wenn wir dann wieder draußen waren, waren sie wieder wie zuvor. Hatten der Gottesdienst und das alltägliche Leben so wenig miteinander zu tun?

Jahre später, im Verlauf meiner Therapie, tauchte die Kirche aus der Toscana wieder vor meinem inneren Auge auf. Damals hatte ich nur eine Ahnung mitgenommen, jetzt erschloss sich mir nach und nach die seelische Bedeutung, die diese Form für mich hat. Ich verstand auch, das die Sehnsucht, innen und außen mögen miteinander verbunden sein, eine starke Kraft in mir ist, die mir Orientierung gibt.